Grußwort des Kreisverbandes
Liebe Schülerinnen und Schüler,
meine Name ist Henrik Peitsch. Als Mitglied des Kreisverbandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – GEW Osnabrück-Stadt darf euch die Unterstützung des Kreisverbandes übermitteln.
Als ich von euren Protesten hörte musste ich sofort an Stéphane Hessel, einen französischen Diplomaten und politischen Aktivist, denken Er kämpfte für die Résistance gegen die Besetzung durch die Deutschen Faschisten im zweiten Weltkrieg und überlebte das KZ Buchenwald.
Seine beiden dünnen Streitschriften: Empört euch! und Engagiert euch! haben mich fasziniert. Er hat sie mit fast 90 Jahren verfasste.
Nach seiner KZ-Haft wurde Hessel im Jahr 1946 Büroleiter des UN-Vize-Generalsekretärs. Er war an der Formulierung der UN-Menschenrechtscharta als auch am UN-Entwicklungsprogramm beteiligt.
In einem Rückblick meint er hinsichtlich der Menschenrechte:
„Das war für mich eine enorme Genugtuung. Ich sagte mir: Jetzt haben wir einen Wegweiser für die Zukunft der Menschheit, denn wenn diese ‚allgemeine Erklärung‘ wirklich von allen Mitgliedsstaaten ernst genommen wird – einmal –, dann würden wir eine wunderbare, schöne Welt vor uns haben. – Soweit sind wir leider noch nicht.“ …Immer noch nicht!
2010 rief er mit der Streitschrift „Empört Euch“ die Jugend zum gewaltfreien Widerstand gegen soziale Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen, wuchernden Finanzkapitalismus und Umweltzerstörung auf. Er erreichte damit in kurzer Zeit ein Millionen-Publikum.
In seinem zweiten Buch „Engagiert euch“ forderte er: „Viel weniger Ressourcen produzieren, die den Planeten in Gefahr bringen, viel mehr Ressourcen herstellen, die den wahren Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen.“
Hessel forderte einen Umbau internationaler Strukturen, am liebsten die Gründung eines Uno-Sicherheitsrates für Wirtschaft und Soziales: Ein Gremium, das echte Autorität über die finanziellen, kommerziellen Drahtzieher hätte; ein Gremium, das bestimmen könnte in den Bereichen Arbeit, Soziales und Gesundheit. „Das System der Vereinten Nationen“, so der ehemalige Uno-Experte, „hätte damit wirklich einen Kopf.“
Dies könnte auch ein konkretes Ziel eures Protestes sein! Denn es geht nicht nur um den Klimawandel und die Folgen des Klimawandels! Es geht um die globale Durchsetzung der Menschenrechte!
1968 konnten uns – den Nachkriegsgeborenen – die Eltern nicht erklären, warum sie in der Zeit von 1933 und 1945 – und auch schon davor – stillgehalten und keinen Widerstand geleistet haben.
Was werden wir, was werdet ihr euren Enkeln sagen, wenn sie euch fragen werden:
- Was habt ihr 2019 vom Klimwandel und der nationalen und globalen ungerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen gewußt, von der Mißachtung der Menschenrechte?
- Warum habt euch nicht empört und dagegen engagiert?
Wir brauchen keine hysterisch agitierenden Pseudo-Alternativen, deren Grundhaltung nicht nur antidemokratisch sondern auch offen rassistisch und menschenfeindlich ist.
Deshalb ist euer Protest sehr wichtig. Ihr setzt damit ein deutliches Zeichen auch gegen die Populisten.
Wollte man eine Zustandsbeschreibung der politischen Verhältnisse unseres Landes vornehmen, so müsste man feststellen, dass ganz offensichtlich die Herausforderungen des globalen Klimawandels noch nicht auf der Agenda unserer Politiker stehen
Die bereits bestehenden Bedrohungen für viele Menschen sowie die dramatischen ökonomischen Fehlentwicklungen insbesondere durch den ungehemmt agierenden Finanzkapitalismus und den Wachstumswahn sind Leerstellen.
Auch die Medien tragen hier eine besondere Verantwortung. Allerdings folgt die Logik des Agendasettings vieler Medien eher dem Prinzip der Auflagensteigerung. D.h. Skandalisierung von parteipolitischen Randphänomen und der Hysterisierung von Nebensächlichkeit.
Der Diesel-Betrugsskandal und dessen mediale Aufbereitung und das Handeln der politischen Klasse sind ein – beschämendes – Beispiel.
Die Autolobby hat die Politik voll im Griff. Die Medien halten sich weitestgehend zurück.
Es ist ein unbeschreiblicher Skandal!
Es genügt nicht, Strohhalme, Plastiktüten und Kaffeebecher zu verbieten und Müll zu trennen und überschüssige Kleidung zu sammeln. Auch der Einkauf im BioLaden reicht nicht. Diese Aktivitäten haben sehr häufig nur Alibifunktion.
Wir brauchen eine Transformation der Gesellschaft,
- es muss Schluss sein mit der Zerstörung unserer Umwelt
- und der ungerechten Verteilung der Folgen des Klimawandels
- die globale Wertschöpfung muss gerecht verteilt werden
- die Über-Nutzung der endlichen Ressourcen auf unseren Planeten muss schleunigst beendet werden
Wir haben nur noch wenig Zeit. Unsere Lebensstile töten Menschen!
Die Transformation erfordert den Einsatz von uns allen. Sie erschöpft sich nicht in der Änderung von Alltagsprakmatiken, die ich eben beispielhaft genannt habe.
Sie erfordert grundsätzliche Veränderungen unserer politischen Haltung und Verantwortung und eine andere Politik!
Ich möchte euch im Namen der GEW nicht nur Mut zur Empörung machen, sondern alle Osnabrückerinnen und Osnabrücker auffordern, sich euch anzuschließen und sich für die Erhaltung unseres Planeten und ein gerechtes Leben für alle Menschen zu engagieren!
Wer, wenn nicht wir, wann, wenn nicht jetzt?